KANADA-ROADTRIP MIT JEEP UND DACHZELT: CAMPING NEBEN BäREN IM YUKON-NATIONALPARK

Vier Wochen war Elisa Model mit Dachzelt und Jeep auf Roadtrip im Yukon-Nationalpark.

Einen Monat Camping im Dachzelt in der Wildnis. Vier Wochen lang Wälder und Flüsse, viele Kilometer Schotterpiste, eine überschaubare Anzahl an Duschen, dafür umso mehr Lagerfeuer. Menschenleere Weite … Ich hatte nicht erwartet, dass mich diese Gegend so sehr verzaubern wird.

"Larger than Life" – mit diesem Slogan in großen, schnörkellosen Buchstaben begrüßt uns der Yukon. Wie viel Wahrheit in diesen drei Wörtern steckt, wird uns schon innerhalb kürzester Zeit bewusst. Es ist bereits Spätsommer, Anfang September, und wir befinden uns im Nordwesten Kanadas. Diese Reise ist nicht nur so besonders, weil die Gegend hier anderswo auf der Welt ihresgleichen sucht, sondern auch, weil es unsere Hochzeitsreise ist. Flitterwochen zwischen Bären und Elchen, mit Dachzeltromantik und Lagerfeuerduft.

Start in den Kanada-Roadtrip

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Wenn man die ersten Schritte auf kanadischem Boden macht, dann hat man den Eindruck, dass das hier das Land der langen Bärte, großen Autos, rot karierten Hemden und der einsamen Wildnis ist. Natürlich ist das ein wenig viel Klischee für den Anfang, denn Kanada ist zwar genau das, aber eben auch noch so viel mehr.

Wir starten unseren Roadtrip in Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon-Territoriums. Andrew, ein junger, bärtiger Kanadier im roten Karohemd (!), zeigt uns die Handgriffe für den Aufbau des Dachzelts. Dort eine Lasche lösen, dann den Reißverschluss ziehen, auf der anderen Seite hochsteigen, danach die Plane umklappen.

Jetzt braucht’s zwei Leute, weiter geht’s mit dem eigentlichen Dachzelt. Hier die Leiter ausziehen und fest nach unten drücken, die Hebelwirkung klappt den ganzen Rest aus. Oben müssen noch die Stangen eingefädelt und anschließend die Leinen im Boden befestigt werden, et voilà, fertig steht das graue Dachzelt mit orangefarbener Haube auf schwarzem Jeep. Verschiedene Dachzelt-Typen gibt es hier erklärt.

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Schick sieht’s ja aus. Aber irgendwie habe ich ab Schritt vier oder fünf die Übersicht verloren. Und ich zweifele daran, dass wir es während dieser Reise schaffen werden, alles routiniert und in überschaubarer Zeit auf- und wieder abzubauen (Spoiler: werden wir). Die Rucksäcke verstauen wir auf der Rücksitzbank. Lebensmittel füllen wir im "Real Canadian Superstore" auf – der Name ist hier Programm, denn ein Großteil der Waren gibt es nur in XXL. Was das Reisen im Dachzelt ausmacht, erklärt hier der Dachzelt-Experte.

Auf dem Highway Richtung Yukon-Nationalpark

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Kein Wunder, denn im Umkreis hunderter Kilometer gibt es keinen vergleichbaren Supermarkt und keine Stadt in dieser Größenordnung. Es zieht uns gen Norden, auf dem North Klondike Highway. Die Orte werden mit jedem Kilometer weniger, die Tankstellen auch, das Land dafür umso weiter. Zwischendurch kreuzt der Yukon, der legendäre und sagenumwobene Fluss, der dem Territorium seinen Namen gab.

Er schlängelt sich an der Straße entlang und gestaltet mit seinen natürlichen Biegungen und Windungen Landschaften und Lebensräume, umgeben von immergrünen borealen Nadelwäldern. Den ersten Abstecher machen wir auf dem Silver Trail bis nach Keno City, dessen Name mehr vermuten lässt, als das Städtchen wirklich ist, denn hier wohnen gerade mal knapp zwei Dutzend Menschen.

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Der zweite Abstecher führt uns auf den Dempster Highway. Fährt man den bis an sein Ende, dann würde man den Polarkreis queren, in Inuvik in den Northwest Territories herauskommen und im weiteren Verlauf bis nach Tuktoyaktuk reisen können, um die große Zehe kurz in die Beaufortsee zu halten. Die Strecke ist aber weit, deshalb begnügen wir uns nur mit dem Tombstone Territorial Park.

Dieser Park ist ein Erbe des Landnutzungsabkommens mit den Tr’ondëk Hwëch’in, einem First Nation Stamm, und liegt innerhalb ihres traditionellen Territoriums. Der Indian Summer ist hier bereits in vollem Gang. Überall leuchtet es tiefrot oder grellgelb – als hätte die Natur sich selbst ein Make-up verpasst, vorübergehend, um sich vor dem langen Winterschlaf noch einmal herauszuputzen und ein Fest zu feiern, über das man noch lange reden wird.

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Zum Klondike River und zur Grenze nach Alaska

Zurück auf dem Klondike Highway, fahren wir in die zweitgrößte Stadt vom Yukon Territorium. Dawson City liegt direkt am Zufluss vom Klondike River in den Yukon River. Und der Klondike River wiederum ist ein Fluss, der Geschichte schrieb und nicht nur den Ort, sondern den ganzen Yukon prägte.

Denn hier wurde 1896 das erste Gold gefunden und der anschließende Klondike-Goldrausch war Grundlage für so manche heroische Taten, private Tragödien und Legenden, die Jahrzehnte überdauerten. Mittels Fähre geht es für uns über den Yukon, zum Top of the World Highway. Hier kreuzt keine Straße mehr und an seinem Ende gelangen wir zum Poker Creek – Little Gold Creek Border Crossing, dem Grenzübergang nach Alaska.

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Wir bleiben nur kurz im nördlichsten US-Bundesstaat, denn unser Fokus liegt bei dieser Reise auf dem Yukon. Deshalb nehmen wir nach zwei Tagen den Alaska Highway weiter südlich wieder zurück nach Kanada. Hier kommen wir am Kluane Nationalpark vorbei, einem Nationalpark, der mit Superlativen nicht geizt. Mit dem Mount Logan (5.959 m) befindet sich dort nämlich der höchste Berg des Landes, es ist der größte Park im Yukon und das Kluane Icefield ist eines der größten zusammenhängenden Gletscher-Eisfelder abseits der Polregionen. Und summa summarum ist diese Gegend der wahr gewordene Traum für Wandersleute und Naturliebhaber.

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Die Reise neigt sich dann auch dem Ende entgegen. Auf- und Abbau vom Dachzelt sind mittlerweile reine Routine, jeder Handgriff sitzt genau dort, wo er hingehört. Überhaupt hat sich so etwas wie ein Alltag eingestellt – ein Alltag voller Naturwunder und wechselnder Aussichten.

Die Temperaturen sinken in der Nacht immer öfter unter 0 °C, weshalb wir den Start in den Tag, eingemummelt im Schlafsack, regelmäßig hinauszögern. Wer sich zuerst raus wagt, der kocht Wasser für Kaffee und Tee. Wir lassen es langsam angehen und saugen jeden Sonnenstrahl auf, der sich durch die rot goldenen Baumwipfel bahnt. Zehn Minuten – so lange (oder kurz) dauert der Abbau vom Dachzelt am Ende.

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Wir packen alles ein und verlassen den Stellplatz. Gefrühstückt wird unterwegs. Mal gehen wir tagsüber wandern, mal fahren wir einige Kilometer, mal suchen wir eine warme Dusche, mal Internet oder frische Lebensmittel. Gegen vier Uhr, vor Einbruch der Dunkelheit, kommen wir meist am nächsten Campspot an. Innerhalb von fünf Minuten steht alles, bestenfalls prasselt im Anschluss schon das Lagerfeuer und wir kochen simple, aber leckere Gerichte. Es ist still. So still wie es die Natur hier eben sein kann. Die Flammen vom Feuer lassen Schatten auf Fahrzeug und Dachzelt tanzen.

Der Tag endet weit nach Sonnenuntergang so, wie er begonnen hat: eingekuschelt im warmen Schlafsack. Zum Schluss fahren wir über den Haines Highway noch einmal nach Alaska, wo uns eine Autofähre über die Chilkoot Inlet nach Skagway bringt. Dem Southern Klondike Highway folgen wir via British Columbia zurück in den Yukon, ein paar Tage später erreichen wir Whitehorse. So schließt sich der Kreis unserer Route. Das Abenteuer Yukon ist hier zu Ende, die Hochzeitsreise auch, die große Liebe zu diesem größtenteils unberührten Teil unserer Erde hat aber erst begonnen.

Tipps für einen Roadtrip durch den Yukon

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In Deutschland kommen rund 83 Millionen Menschen auf 357.000 km². Im Yukon sind es ganze 43.000 Menschen auf über 482.000 km², einer Fläche von Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen! Hier gibt es noch echte Wildnis. Und es gibt Highways (knapp ein Dutzend insgesamt), auf denen hunderte Kilometer lang keine Straße kreuzt. Dreh- und Angelpunkt ist Whitehorse, die Hauptstadt des Yukon-Territoriums, wo die meisten Menschen leben und sich ein kleiner, internationaler Flughafen befindet.

  • Anreise: Von Frankfurt aus gibt es im Sommer einmal wöchentlich einen Direktflug mit Condor (vor dem Flug die Beantragung der elektronischen Reisegenehmigung eTA nicht vergessen), ansonsten kommt man mit Air Canada oder Air North innerkanadisch zum Beispiel via Calgary, Edmonton oder Vancouver dorthin. Hier starten beinahe alle Abenteuer gen Norden, sei es im Fahrzeug, im Kanu oder mit dem Hundeschlitten.
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  • Campingequipment leihen und einkaufen: Whitehorse ist die einzige Stadt mit großen Märkten – alles, was man für die Reise braucht, wird also gleich zu Beginn aufgefüllt. Den Jeep mit Dachzelt und allem Camping-Pipapo (außer Gas und Schlafsack) gibt’s von Overland Yukon (overlandyukon.com) und in dieser Kombination auch nur dort. Der Fahrspaß kostet ganze $ 295,00 Miete je Tag, mit dem ganzen Drumherum ist ein Roadtrip durch den Yukon also kein Low-Budget-Urlaub.
  • Tanken: Entfernungen haben hier eine andere Relation. Und das bedeutet, dass jede Tankstelle angesteuert werden sollte, egal wie voll der Tank noch ist.
  • Bärenabwehr: Mit der Wildnis kommen die Raubtiere und die Bärenabwehr spielt eine große Rolle. In jeder Touristeninformation liegen Broschüren aus, die auf das richtige Verhalten bei Begegnungen mit Schwarzbär oder Braunbär hinweisen. Die Mitnahme von Bärenabwehrspray ist obligatorisch, Regeln und Vorsichtsmaßnahmen sollten immer eingehalten werden.
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  • Campingplätze: Ausgewiesene (und kostenpflichtige) Government Campgrounds erleichtern die Stellplatzsuche für die Nacht. Ausgestattet mit Plumpsklo, Feuerstelle, Feuerholz und bärensicheren Mülltonnen, funktionieren diese Plätze nach dem "first come, first served‘-Prinzip und via Selbstregistration vor Ort. Private Campingplätze gibt es wiederum nur wenige, das Freistehen ist aber möglich.
  • Unterwegs: Nicht jede Straße ist asphaltiert und ganzjährig geöffnet und manche Fähren verkehren nicht im Winter. Mitte September macht sich nicht nur die Natur für den Winterschlaf bereit, auch die Menschen sorgen für die kalten Tage und langen Nächte vor. Und apropos Kälte: Wärmende Kleidung im Zwiebelprinzip und ein guter Schlafsack sollten zur Grundausstattung gehören, denn selbst im Sommer sinkt die Temperatur nachts oft unter 10 °C.

Meine Pro- und Contra-Liste Dachzelt

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Diese Erfahrung mit einem klappbaren Dachzelt war meine erste und gleichzeitig eine ganz besondere. Normalerweise reise ich nämlich in meinem selbst ausgebauten VW Bus durch die Welt. Wenig Platz bin ich also gewohnt, aber das Reisen mit dieser Kombination hat es mir noch mehr ermöglicht, mit dem Rhythmus der Natur zu leben. Was mich gleich zu dem Vorteil kommen lässt, der gleichzeitig aber auch ein Nachteil sein kann: Der ganze Tag findet draußen statt. Das Dachzelt bietet mehr oder weniger nur einen geschützten Schlaf- und Rastplatz, die restliche Zeit ist ein Leben außerhalb. Und je nach Wetter kann das ganz wunderbar sein – oder aber auf Dauer ein Spiel mit den eigenen Grenzen.

(+) Ich mochte die Luftigkeit sehr. Frische Luft wehte um die Nase, wenn wir die Klappen und Reißverschlüsse öffneten. So weit oben fühlte ich mich sicher vor Bären und der Schlafkomfort war himmlisch.

(+) Kompakt passt so ein Dachzelt ja auf beinahe jedes Fahrzeug und lässt sich "abgeschnallt" einfach in Keller oder Garage verstauen. Diese Flexibilität schafft ein Win-win für mehrere Bedürfnisse. Das normale Alltagsfahrzeug kann so innerhalb kurzer Zeit zum Campingmobil werden, und das hält die Kosten im überschaubaren Rahmen, z. B. auch via unkompliziertem Dachzelt-Sharing. Oh, und habe ich diese unglaublich schöne Nähe zur Natur schon erwähnt?

(-) Sehr kalte Temperaturen und lange Regenperioden können zu einer Geduldsprobe werden, denn der Einfluss der Witterung ist direkt.

(-) Stauraum für die Campingausstattung ist im Dachzelt quasi nicht vorhanden und muss deshalb anderweitig im Fahrzeug geschaffen werden.

(-) Und die Stellplatzwahl ist nicht immer ganz frei, so mussten wir die letzte Nacht unserer Reise mangels geöffneten Campingplatzes auf dem Walmart-Parkplatz in Whitehorse im Auto schlafen.

(-) Das aufgebaute Set-up lässt zudem ein spontanes Weiterfahren oft nicht zu – zumindest je nach Dachzeltart (ein Hartschalendachzelt macht hier aus vielen Nachteilen wieder so einige Vorteile).

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