JAPAN WILL AUSLäNDISCHE TOURISTEN MIT FIESEM TRICK LOSWERDEN

In der westjapanischen Stadt Himeji zeigt man sich wenig erfreut über Touristen und Touristinnen. „Ausländern würden wir gern rund 30 US-Dollar berechnen“, erklärte der Bürgermeister Hideyasu Kiyomoto vor kurzem auf einer Konferenz. Himeji ist im ganzen Land für die aus dem 17. Jahrhundert stammende Burg bekannt. International aber kannte die Stadt bisher kaum jemand. Das scheint sich gerade zu ändern: 452.000 Besuchende aus dem Ausland reisten im vergangenen Jahr nach Himeji. Ein historischer Rekordwert.

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Zahlen, über die man sich in dem 500.000-Einwohnenden-Ort eigentlich freuen könnte. Doch Bürgermeister Kiyomoto macht sich Sorgen: Die Burg von Himeji drohe, unter Massen von Touristen und Touristinnen unterzugehen, sagt er. Fortan müsse mehr Geld in deren Erhaltung fließen.

Allerdings: Da das Wahrzeichen der Stadt „ein Rückzugsort“ für die Einheimischen sei, könne er die Eintrittspreise von bisher 1.000 Yen (ca. 5,80 Euro) unmöglich für die Anwohnenden erhöhen, erklärte Kiyomoto. Die Lösung: Für Reisende aus dem Ausland soll sich der Eintrittspreis künftig vervierfachen, für Einwohner und Einwohnerinnen dagegen leicht verringern.

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Dass Japan so boomt, war einst ein expliziter Wunsch

Es ist eine Idee, die in Japan zuletzt immer wieder geäußert wird: Reisende aus dem Ausland für Güter und Dienstleistungen einfach mit höheren Preisen zu belasten als die heimische Bevölkerung. In Himeji, wo man die dadurch erwarteten Mehreinnahmen in die Erhaltung des kulturellen Erbes investieren will, nennt man das „nachhaltigen Tourismus“.

Japan debattiert schon seit einiger Zeit über die Frage, wie sich der Fremdenverkehr so gestalten lässt, dass er sich auf Natur und Gesellschaft möglichst wenig auswirkt. Ende Juni zeigten offizielle Zahlen, dass im Mai zum dritten Monat in Folge mehr als drei Millionen Touristen und Touristinnen aus dem Ausland nach Japan kamen. Von Januar bis Mai waren es zusammengerechnet 14,6 Millionen. Das sind 6,5 Prozent mehr sind als im Vorpandemiejahr 2019.

Auf den ersten Blick sind diese Zahlen Erfolgsmeldungen. Menschen aus allen Erdteilen schwärmen von Japans Einfachheit und Sauberkeit, aber auch von der Architektur, der Küche, der Höflichkeit und der vielfältigen Natur. Dass die Welt dies gerade jetzt so wertschätzt, ist zum Teil dem schwachen Yen geschuldet: Er macht Auslandswährungen stärker. Doch hinter dem Japan-Boom steckt auch Strategie.

Japan: Darum beschweren sich Einheimische über die Fremden

Vor gut einem Jahrzehnt beschloss die Regierung, den Tourismus als neuen Motor für Wirtschaftswachstum zu fördern. In Japans alternder und schrumpfender Bevölkerung wird die Anzahl der Konsumenten und Produzentinnen bis auf Weiteres abnehmen. Das macht es immer schwieriger, neues Wachstum zu generieren.

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Die Öffnung für den Tourismus bietet Potenzial: Groß angelegte PR-Kampagnen verfolgten das Ziel, dass im Jahr 2020 insgesamt 40 Millionen Touristen kommen sollten – eine Versechsfachung gegenüber 2011. Mit der Unterbrechung der Pandemie, auf die Japan mit strengen Grenzschließungen reagierte, befindet sich das Land nun auf Kurs. Doch die Klage, die man zuletzt aus Himeji hörte, ist vielerorts zu vernehmen. Der Begriff „Übertourismus“ hat die Runde gemacht.

Willkommen heißen viele in Japan vor allem das Geld der Fremden. Immer häufiger berichten Einheimische zugleich von Ärgernissen, mit denen sie sich herumschlagen. Mal geht es um Touristen oder Touristinnen, die sich jenseits der designierten Plätze eine Zigarette anstecken, mal um nicht regelkonform entsorgte Abfälle.

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Japan: Manche Etablissements wollten keine Ausländer bedienen

Auch andernorts hat man mit Fremden offenbar Probleme – oder zumindest mit jenen aus bestimmten Ländern. So geriet ein Hotel in Kyoto in den vergangenen Wochen in den Fokus der Medien, nachdem es einem Reisenden aus Israel die Buchung verweigert haben soll. Dem Touristen zufolge habe ihm das Hotel eine Verbindung zum israelischen Militär und dem Krieg in Gaza unterstellt.

Erst nach einer Beschwerde durch die israelische Botschaft kritisierte die Regierung das Hotel. Yoko Kamikawa, Japans Außenministerin, erklärte daraufhin: „Wir hoffen, alle Besuchenden in Japan können diverse Aktivitäten durchführen und sich hier sicher fühlen.“ Nur: Die „diversen Aktivitäten“ sollen Reisende aus dem Ausland in Japan wohl künftig mehr kosten als die Einheimischen. Wie die Burg von Himeji haben in Tokio auch schon erste Restaurants damit begonnen, Touristen und Touristinnen höhere Preise abzuverlangen. Und das offenbar ganz legal.

„In Japan gibt es bis heute kein umfassendes Anti-Diskriminierungsgesetz“, ordnet Koichi Nakano ein, Politikprofessor an der Sophia Universität in Tokio. So hatten bereits in der Vergangenheit immer wieder Etablissements ein Schild mit der Aufschrift „no foreigner“ an ihrer Eingangstür angebracht – „keine Ausländer“. Seit der Tourismus immer mehr Geld in die Kassen spült, findet man solche Hinweise zwar kaum noch, doch die Diskriminierung ist seither lediglich subtiler.

Japan: Willkommen scheint nur eine Gruppe von Reisenden

Dabei hatten auch schon Regierungsvertreter ihre Sorge über Japans Tourismus-Kapazitäten geäußert. Aus Tokios Rathaus war schon im vergangenen Jahr die Idee erklungen, dass Superreiche „durch ihren Einfluss das Image der Stadt verbessern und damit zur Zunahme von Besuchern beitragen“ sollen. Dafür nahm die Regierung Tokios zuletzt sogar an Messen für Luxustourismus teil.

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Klar ist demnach: Vor allem Reisende mit mehr Kaufkraft scheinen in Japan willkommen. Denn je mehr reiche Touristen kommen, desto mehr Geld kann eine einzelne Person im Land lassen – und das ganz ohne Massentourismus. Die Regierung stellte entsprechende Maßnahmen bereit: So gibt es mittlerweile lockerere Regeln für das Landen von Privatjets und das Anlegen von Yachten. Weniger reiche Japan-Reisende geben derweil an, dass die Menschen gegenüber den Touristen und Touristinnen kühler geworden seien.

Die einmalige Freundlichkeit der Japaner und Japanerinnen war einst weltweit als „omotenashi“ bekannt. Doch es scheint fast, als verliere dieses Wort allmählich an Bedeutung.

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