TICKETSTEUER AB 1. MAI: WAS FLUGPASSAGIERE WISSEN MüSSEN

Zum 1. Mai steigt die Ticketsteuer in Deutschland um mehr als 20 Prozent. Die meisten Airlines verzichten auf Nachzahlungen für schon gebuchte Flüge – nur Ryanair fordert: Zahlen Sie, oder Ihr Flug wird storniert!

Die Steuer auf Flugtickets von deutschen Abflugorten steigt zum 1. Mai erneut – das hat Folgen für Urlauberinnen und Urlauber. Zugleich befürchten Reiseveranstalter und Airlines Belastungen in Millionenhöhe und langfristige Probleme. Die Steueranhebung ist Teil des Maßnahmenpakets, mit dem die Bundesregierung nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Haushalt stopfen will.

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Werden Pauschalreisen und Flugtickets künftig teurer?

Wahrscheinlich, denn grundsätzlich versuchen Wirtschaftsunternehmen wie Airlines oder Reiseanbieter immer, zusätzliche Kosten an ihre Kundinnen und Kunden weiterzugeben.

  • Für Pauschalreisen gilt: Steuern und Abgaben machen nur einen Teil des Preises aus. Zu Buche schlagen vor allem die Kosten für den Einkauf von Hotelkontingenten und Flugkapazitäten. Wie sich diese entwickeln, hängt auch von der allgemeinen Preisentwicklung im jeweiligen Urlaubsland ab.

  • Bei den reinen Flugtickets wirkt sich die Konkurrenzsituation aus, die auf der jeweils gebuchten Strecke herrscht. Ist dort nur ein Anbieter unterwegs, werden die höheren Steuern voraussichtlich im vollen Umfang an die Kunden weitergegeben, was bei scharfer Konkurrenz nicht so einfach wäre.

Wie stark steigen die Steuersätze?

Die Erhöhung betrifft sämtliche Passagierflüge, die von deutschen Flughäfen abheben. Vom 1. Mai an liegen die Steuersätze je nach Endziel der Flugreise zwischen 15,53 und 70,83 Euro pro Ticket. Bislang waren in drei Entfernungsklassen zwischen 12,48 Euro und 56,91 Euro fällig. Die Steigerung zu den erst 2020 kräftig erhöhten Sätzen beträgt zwischen 22,5 und 24,5 Prozent.

Bei Europaflügen übertrifft der neue Steuersatz den historischen Tiefstand vom Jahresbeginn 2019 um mehr als das Doppelte. In der EU erheben nur neun von 27 Mitgliedsstaaten eine Ticketsteuer. Die deutsche Abgabe gehört mit zu den höchsten.

Welcher Steuersatz wird zu meinem Ziel fällig?

Die Steuersätze sind zwar grundsätzlich nach Entfernung gestaffelt, die tatsächliche Entfernung zwischen Start und Ziel spielt aber keine direkte Rolle. Stattdessen hat der Gesetzgeber in Anlagen zum Luftverkehrssteuergesetz Länder aufgelistet, für die der jeweilige Satz gilt:

  • In der niedrigsten Klasse mit 15,53 Euro sind alle europäischen Staaten enthalten einschließlich der Türkei und Russland sowie Algerien. Hier sind typische Urlaubsflüge nach Mallorca ebenso abgedeckt wie ein Geschäftsflug nach London.

  • 39,34 Euro werden fällig bei Flügen in viele afrikanische und asiatische Länder, die bis zu 6000 Kilometer entfernt sind. Typische Ziele sind hier beispielsweise Dubai, Tel Aviv oder Addis Abeba.

  • Für noch längere Flüge etwa nach China oder in die USA beträgt die Ticketsteuer dann 70,83 Euro.

Können Airlines von ihren Kunden nachträglich die Steuern nachfordern?

Das entsprechende Steuergesetz ist erst Ende März in Kraft getreten, also zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits etliche Flugtickets und Pauschalreisen für die Zeit nach dem 1. Mai verkauft waren, die nun unter den erhöhten Steuersatz fallen. Erst ab dem 28. März durften die Unternehmen die höheren Ticketsteuern in ihre Endpreise einberechnen.

Bei Flugtickets sieht der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) dennoch keine rechtliche Grundlage für Nachforderungen. Entsprechend hat beispielsweise die Lufthansa bei frühzeitig verkauften Tickets die erhöhte Steuer selbst getragen, wie eine Sprecherin versichert. Eine Summe wird nicht genannt. Auch andere Fluggesellschaften bleiben auf den Mehrkosten sitzen oder haben sie bereits vorher im Rahmen eines Risikoaufschlages eingepreist.

Der Billigflieger Ryanair jedoch wälzt den Differenzbetrag Berichten zufolge teils auf seine Passagiere ab. Das Touristik-Fachportal »fvw.de« berichtet von E-Mails, die Ryanair an Passagiere verschickt habe und in denen sie diese vor die Wahl stellte: Die Differenz zwischen der bereits gezahlten und nun tatsächlich für ihren Flug ab Mai anfallenden Ticketsteuer zahlen – oder der Flug wird storniert. Dann gibt es zwar das Geld fürs Ticket zurück. Betroffene müssten sich aber ein neues und vermutlich teureres Ticket kaufen.

In einer solchen E-Mail, die »fvw.de« auszugsweise publizierte, verwies Ryanair auf den entsprechenden Passus in den eigenen Geschäftsbedingungen (AGB). Die Mehrzahlungen liegen im Bereich von rund drei bis zwölf Euro, je nach Flugstrecke. Wer nicht widerspricht, dem soll der Betrag laut der E-Mail vom hinterlegten Konto abgebucht werden.

Ist das Vorgehen von Ryanair rechtlich in Ordnung?

Das sei kein einfaches Thema, sagt Karolina Wojtal, Reiserechtsexpertin beim Europäischen Verbraucherzentrum. »Viele Airlines haben solche Klauseln in den Beförderungsbedingungen drin.« Eine solche müsse aber so gefasst sein, dass sie Preisanpassungen nach oben und unten haben muss, ein Kündigungsrecht einräumt und eine Deckelung möglicher Preisanpassungen nach oben hat.

In Deutschland kommt hinzu, so Wojtal, dass das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB, §309) nachträgliche Preisanpassungen erst ab vier Monaten nach Vertragsschluss erlaubt. Das gilt auch für Tickets von Ryanair, die man von Deutschland aus kauft.

Was das Vorgehen der irischen Airline angeht: Es gebe zwar Urteile zu nachträglichen Preisanpassungen, aber nicht exakt zu so einem Fall wie nun bei Ryanair, erläutert Wojtal. Wehren kann man sich in dem Fall also nur, indem man rechtlich dagegen vorgeht. »Das weiß Ryanair auch: Es bräuchte Kunden, die das wegen der drei bis zwölf Euro mehr machen und idealerweise rechtsschutzversichert sind.«

In einem Statement schreibt Ryanair, dass alle Passagiere, die ab 1. Mai aus Deutschland abfliegen, verpflichtet seien, die erhöhte Luftverkehrsteuer zu zahlen – unabhängig davon, wann sie ihren Flug gebucht haben. Wer das nicht wolle, habe die Option, den Flug zu stornieren und den Ticketpreis voll erstattet zu bekommen. Eine konkrete Nachfrage zu den Berichten über die E-Mails ließ Ryanair am Montag unbeantwortet.

Wie sieht die Rechtslage für Reiseveranstalter aus?

Reiseveranstalter dürfen unter bestimmten Bedingungen die nachträglich erhöhten Kosten an ihre Touristen weitergeben. »Der Vertrag muss das vorsehen und zugleich einen Hinweis darauf enthalten, dass auch umgekehrt der Reisende eine Senkung des Reisepreises verlangen kann, wenn beispielsweise der Kerosinpreis sinkt«, erläutert Felix Methmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Erhöhungen nach Vertragsabschluss seien unter diesen Voraussetzungen möglich bei gestiegenen Treibstoffkosten, Steuern und sonstigen Abgaben für vereinbarte Reiseleistungen oder einer Änderung der für die Pauschalreise geltenden Wechselkurse. Der Veranstalter müsse die Berechnung der Preiserhöhung offenlegen und die Urlauberinnen und Urlauber spätestens 20 Tage vor Reisebeginn darüber informieren. Veranstalter wie Marktführer TUI und DER Touristik haben rückwirkende Preiserhöhungen ausgeschlossen.

Die Veranstalter haben die Mehrkosten selbst getragen, sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig. »Die sehr kurzfristige Erhöhung der Ticketsteuer bereits zum 1. Mai und damit noch vor Beginn der Hauptreisezeit führt nach unseren Berechnungen zu einer Mehrbelastung bei den Reiseveranstaltern von rund 21 Millionen Euro«, sagt Fiebig. »Diese zusätzlichen Kosten können nicht auf die Reisenden umgelegt werden, da eine nachträgliche Erhöhung der Reisepreise bei Pauschalreisen de facto nicht möglich ist«, sagt er mit Blick auf die damit verbundenen Bedingungen.

Welche langfristigen Folgen befürchten die Touristiker?

Fiebig kritisiert, dass Reisen durch Entscheidungen der Politik immer teurer werde. So könnten ab kommendem Jahr beispielsweise die Luftsicherheitsgebühren um 50 Prozent angehoben werden. »Der Urlaub musste durch Inflation und gestiegene Energiekosten ohnehin schon Preissteigerungen hinnehmen und zusätzlich verteuern auch die politischen Entscheidungsträger das Reisen immer weiter.«

Und welche Folgen befürchten die Fluglinien?

In den vergangenen Jahren wurde nicht nur die Luftverkehrsteuer mehrfach erhöht. Gleichzeitig stiegen die Kosten für die Passagier- und Gepäckkontrollen, für die Leistungen der Fluglotsen auf der Strecke wie beim Starten und Landen und für die Abfertigung an den Flughäfen. Beim Start eines Mittelstreckenjets vom Typ Airbus A320 werden an deutschen Flughäfen rund 4000 Euro staatliche Abgaben fällig, klagt die Lufthansa in ihrem jüngsten Politikbrief. Der gleiche Start in Madrid oder Barcelona werde hingegen nur mit 600 Euro belastet.

Dass Deutschland ein teures Pflaster für Passagierflüge geworden ist, hat den Branchenverbänden zufolge auch langfristige Auswirkungen. Während das Sitzplatzangebot hierzulande erst rund 80 Prozent des Vor-Corona-Niveaus erreicht, wird in den meisten anderen europäischen Ländern längst wieder so viel geflogen wie vor der Pandemie.

Billiggesellschaften wie Ryanair, Easyjet oder Wizz Air setzen ihre Flugzeuge in Märkten mit geringeren Eingangskosten ein, weil sie dort einfacher ihre Gewinnschwelle erreichen. Ihr Angebot von Flügen mit billigen Tickets wächst in Italien, Spanien oder Polen, während es für die Konsumenten in Deutschland schon deutlich geschrumpft ist. Eine Umkehr könne es nur geben, wenn die Kosten an den deutschen Flughäfen sinken, hat Ryanairs Marketing-Chef Dara Brady erst kürzlich wieder erklärt.

Wie viel bringt die Steuererhöhung dem Staat?

Die 2011 von der schwarz-gelben Regierung eingeführte Ticketsteuer brachte im Jahr 2022 knapp 1,2 Milliarden Euro Einnahmen für den Staat ein. In diesem Jahr sollen durch die höhere Ticketsteuer rund 400 Millionen Euro mehr Steuern in die Staatskasse fließen. Für die Folgejahre rechnet die Regierung mit Mehreinnahmen von 580 Millionen Euro.

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